„Käse ohne Kultur“: Brunnenkresse, Schwarzbrot und der magische Holzzuber.

By Stephan • Allgemein • 23 Sep 2010
Herbert Stocker  - Alpe Latschätz

Herbert Stocker – Alpe Latschätz

Diesen Sommer hatte ich das Privileg zwei Ausnahmekäser kennenzulernen und bei der – immer weniger werdenden – traditionellen Produktion vom Montafoner Sauerkäse (“Sura Kees”) zuzusehen.

Herbert Stocker  – Alpe Latschätz – Montafon – ca. 1700 Meter Seehöhe.

Das besondere an der traditionellen Produktion von Montafoner Sauerkäse ist der Verzicht auf Starterkulturen. Beginnt der Alpsommer so wird die frische Rohmilch zusammen mit Brunnenkresse und Schwarzbrot (wegen der Hefe) in einen Holzzuber (=Holzgefäß) gegeben. Bei richtiger Handhabung und Temperatur vermehren sich so die notwendigen Milchbakterien die die Grundlage für die Sauerkäseproduktion des ganzen Sommers bilden. Dieser Prozess ist nur einmal notwendig und ein erfahrener Käser “speichert” sich die Bakterien für die ganze Alpsaison in seinem Holzzuber. Die Käseproduktion selbst beginnt nicht jeden Tag zur gleichen Zeit, da durch die traditionelle, spontane Produktion die Rohmilch zum richtigen Zeitpunkt im Kupferkessel verkäst werden muss. Vom Kupferkessel wird die noch warme Käsemasse in kleine Holzgefäße gefüllt, wodurch die Abkühlung wesentlich langsamer und schonender erfolgt wie in den heute bereits zum Großteil verwendeten Plastikformen. Ein, zwei Wochen später beginnen die 4-5 kg schweren Laibe in der Reifekammer zu “blühen”: Die Käse sind mit (unbedenklichem) Schimmel in allen Farben überzogen, welcher mit einem Tuch mit warmen Wasser abgewischt werden kann. So entsteht ein intensiv gereifter Sauerkäse, der mit zunehmender Reifezeit mit einer immer dicker werdenden speckigen äußeren Schicht umrandet ist.

Herbert Stocker ist im Montafon kein Unbekannter – sein Käse und sein Butter sind begehrt und daher immer ausverkauft. Wer sich nicht nur für die Produktion interessiert und auch Käse und Butter kaufen will, hat mehr Glück bei

der Alpe Vergalden – Daniel Mangeng – ca. 1800 Meter Seehöhe, welche man von Gargellen über Vergalden in ungefähr einer Stunde Gehzeit erreicht. Auch hier wird noch traditionell mit Holz und Spontanreifung gearbeitet. Dazu ist die Vergaldenalpe bewirtschaftet und man erhält eine Käseplatte mit Brot, unglaublich guter Butter und Sura Kees in mehreren Reifestufen (unbedingt nach “richtig” gereiftem Kees verlangen!). Daniel Mangeng bietet zweimal in der Woche Sennereiführungen an, bei denen er die Käseproduktion erläutert. Zusammen mit der Landschaft und dem Käsegenuss ein Muß für den Käseinteressierten, der eine ursprüngliche Produktionsmethode, ohne moderne Hilfsmittel, kennenlernen will.

 

Kontakt (von Juli-Septemper): Daniel Mangeng, Alpe Vergalden, T: 0664/5332554

In der Schweiz wird ähnlich – wenn auch meistens nicht mehr ganz so traditionell – erzeugter Käse als Urkäse bezeichnet (z.B.: Bloderkäse). In Italien wird Castelmagno – ein Sauerkäse mit Spontanreifung – mit Hilfe von Slow Food als Presidiprodukt vermarktet und dann am Käsemarkt nach ein – oder mehrjähriger Reifung um stolze aber verdiente 40,- Euro pro Kilogramm an die Käseliebhaber verkauft. Auf den beiden Montafoner Alpen kostet der traditionell erzeugte Sura Kees ein Bruchteil dessen und nicht mehr oder sogar weniger wie der nach neuer, standartisierter Methode erzeugte Sauerkäse welcher nie blühen durfte.

Tradition, Holzzuber und die Käsesenner sollten nicht nur auf Plakaten und Flyern zu finden sein sondern gelebt und gefördert werden. Die Schweizer haben es uns mit ihrem L’Etivaz vorgemacht: Käsen darf man diesen Schweizer Alpkäse ausschließlich im Kupferkessel über offenem Holzfeuer und die Besucher sind willkommen um das Besondere der Produktion zu sehen. Nur so kann die einzigartige Tradition von den Alpbesuchern weit über das Tal hinaus tranportiert werden. Nicht zuletzt darum wird der L’Etivaz selbst im Käseland Frankreich als einer der begehrtesten Hartkäse gehandelt.

 

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